Freitag, 25. Oktober 2013

Robin G. Collingwood  

In letzter Zeit habe ich mich hin und wieder mit dem Werk eines äußerst originellen und tiefgründigen englischen Geschichtsphilosophen beschäftigt - Robin George Collingwood (1889-1943). Seine Geschichtstheorie ähnelt der Vicos, insofern auch er die geistige Dimension der Geschichte für die eigentlich wichtige hält. Collingwood hält nicht viel von Strukturgeschichte, die in dem Sinne verstanden wird, dass es Gesetzmäßigkeiten gibt, analog denen der Physik, die die menschliche Geschichte steuern, ohne dass die Menschen etwas dagegen tun können (ähnlich den Auffassungen des Marxismus oder anderer Weltgeschichtsentwürfe). Hierin unterscheidet er sich allerdings von Vico, denn dieser hatte eine Lehre von vier Weltzeitaltern postuliert und glaubte, dass der Geist Gottes der Garant für diese Ordnung sei. Der Geist Gottes lenke nämlich die Geister der Menschen von innen her und erzwinge auf diese Weise, dass sein Wille geschieht, auch wenn die Menschen nach ihren eigenen, ganz anderen Zielen trachten. Collingwood ist hier ganz modern und schließt eine gezielte Lenkung der Geschichte durch Gott aus. Geschichte ist vielmehr eine "History of thought", i.e. das Ergebnis der Ideen, Emotionen und Denkresultate eines jeden Einzelnen, die sich in historisch wirksamen Handlungen (z.B. Aussagen, Schriften, physischen Handlungen etc.) der Personen niederschlagen. Das Argument, das Collingwood benutzt, um seine These zu stützen, bedient sich einer Gegenüberstellung der Tierwelt (oder tierischer Gesellschaften) und der menschlichen Gesellschaft(en); fast alle Historiker würden ohne weiteres der These zustimmen, dass Tiere keine "Geschichte" wie die Menschen haben, denn ihr Zusammenleben und ihr Handeln vollziehe sich in den engen Grenzen dessen, was die Natur ihnen als Verhaltens- und Reaktionsrepertoires zur Verfügung gestellt hat; dies sei aber nicht "entwicklungsfähig" in dem Sinne wie das beim Menschen der Fall sei, der stets über sein Handeln und sein Schicksal zu reflektieren bereit und in der Lage sei, und der bewusst und gezielt etwas daran ändern könne. Es komme also letztlich auf die "Ratio" an, oder zumindest auf das Bewusstsein des Menschen und seine besondere Fähigkeit "zu denken". Folglich ist es also "das Denken", worauf es bei der Geschichte ankommt. Eine einfache und doch sehr überzeugende Schlussfolgerung!

Samstag, 8. November 2008

Vicos Metaphysik und Erkenntnistheorie

Vicos Geschichtsphilosophie ist das jüngste und komplexeste Glied seiner philosophischen Überlegungen und basiert folgerichtig auf den Ergebnissen seiner vorangegangenen Studien zur Metaphysik, Erkenntnistheorie und Rechtsphilosophie. Die ersten beiden werden uns heute beschäftigen.
Metaphysik ist die Lehre von den unsichtbaren, nichtmanifesten Eigenschaften des Seins, die das Sein dennoch in seinen sichtbaren, manifesten Eigenschaften grundlegend bestimmen. Vico selbst setzt die Metaphysik der Theologie gleich und behauptet, daß zwischen diesen beiden Disziplinen keinerlei Unterschied besteht - es seien zwei verschiedene Begriffe, die sich auf denselben Sachverhalt beziehen. Der Unterschied in der Benennung ergebe sich allerdings aus dem Kontext der Grunddisziplin, von deren Boden aus, man die betreffenden Sachverhalte untersucht. Untersucht man die letzten Gründe des Seienden vom Boden einer Religion aus und zum Zwecke religiöser Unterweisung, so wird die auf diese Weise zustande gekommene Lehre Theologie genannt. Versucht man Naturphilosophie und andere Formen philosophischer Erkenntnis auf eine übernatürliche, transzendente Grundlage zu stellen, so spricht man von dieser Grundlage als von Metaphysik.

Giambattista Vico: Eine Einführung

Die kommenden Einträge werden sich mit der Geschichtsphilosophie des italienischen Philosophen Giambattista (Giovanni Battista) Vico (1668-1744) beschäftigen. Dieser hatte eine Reihe genialer Einsichten in das Wesen und die Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnis und der von den Menschen entwickelten Wissenschaften. Auf der Grundlage profunder epistemologischer und metaphysischer Überlegungen gelangte er schließlich zu einer sehr subtilen Interpretation des Rechts und zu einer fundamentalen Kritik menschlicher Gesellschaften. Er analysierte ihre Entstehung, ihr Werden und ihren Verfall und entwickelte eine Theorie der "ewigen, idealen Geschichte".

Dienstag, 20. Mai 2008

Einleitung

"Geschichtsphilosophie" soll ein offenes, sich entwickelndes Projekt sein, das auf keiner bestimmten Philosophie basiert. Es soll sich zum Einen auf der Grundlage des historischen Faktenwissens des Verfassers dieser Website und seines Wissens über bestehende geschichtsphilosophische Schulen entwickeln. Es wird also erwartet, daß sich der Standpunkt und die Perspektive des Verfassers, und somit auch dessen Einsichten in das Wesen der Geschichte, mit zunehmendem Wissen über sowohl historische Ereignisse als auch Geschichtsphilosophisches Denken stets weiter entwickeln und womöglich nie zu einem Ende kommen wird.